Elektro-LKW im Einsatz: Flott geladen auf Kehrichttour
Seit Anfang 2023 stellt der Gemeindeverband REAL die grösste Elektro-Kehrichtsammelflotte der Zentralschweiz. Für den Betrieb braucht es mehr als nur Strom. Weil der Versorgungsauftrag klare Priorität hat, steht das richtige Lade- und Lastmanagement im Vordergrund.
Seine Lage ist zwar nicht verkehrsberuhigt, aber absolut zentral, am Puls von Luzern: das Recyclingcenter Ibach in Emmenbrücke. Dort, direkt bei der vielbefahrenen Ein- und Ausfahrt der Autobahn A2, hat der Gemeindeverband Recycling Entsorgung Abwasser Luzern (REAL) seinen Sitz.
System relevant für Hunderttausende
Dem Verband gehören 22 Gemeinden aus der Region Luzern und dem Aargau an. Von seinen Leistungen profitieren über 230'000 Personen, rund 110'000 Haushalte und tausende Betriebe. REAL betreibt elf sogenannte Ökihöfe, hundert Quartiersammelstellen und zwei Abwasserreinigungsanlagen. Zudem ist der Gemeindeverband Ankeraktionär der Kehrrichtverbrennungsanlage (KVA) Renergia in Perlen.
Damit gilt REAL bezüglich Entsorgungssicherheit in der Region als systemrelevant. Der Gemeindeverband hat eine Vorbilds- und Vorreiterrolle, die weit über das Einzugsgebiet hinauswirkt. Nach dem Bau der hocheffizienten KVA Renergia und der Lachgas-Elimination in der Klärschlammverbrennungsanlage in Emmen weitet er sein Engagement für den Klimaschutz bei der Abfallsammlung aus.
Zentralschweiz mit einer der grössten E-LKW-Flotten
Anfang 2023 hat REAL sieben Elektro-LKW in seine Fahrzeugflotte aufgenommen. Der Entsorgungsauftrag macht REAL auch zum Logistiker mit einer Flotte von insgesamt 14 Kehrichtfahrzeugen. Dazu kommen ein Hakengerät für Mulden und Ersatzfahrten sowie ein Sattelschlepper für die Glassammlung. Für Montage- und Servicefahrten stehen zwei Elektro-PKW im Einsatz. Für die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen ist damit ein wichtiger Schritt getan.
Geplant wird auch die Ersatzbeschaffung für sieben weitere Dieselfahrzeuge. Dass deren Antriebsstrang ein alternativer sein wird, steht bereits fest. «Elektromobilität kommt bei uns und den Fahrern gut an. In der Kehrichtlogistik erscheinen uns alternative Antriebsformen als zukunftsweisend», so Ueli von Moos, ausgebildeter Elektrotechniker und Betriebsleiter Abfallwirtschaft bei REAL. Die aktuelle Elektro-Sammelflotte stammt von Designwerk Technologies aus Winterthur. Die Fahrzeugbasis bildet dabei der Econic von Mercedes-Benz mit tiefem Kabineneinstieg und einer Batteriegesamtkapazität von 450 Kilowattstunden.
Müllabfuhr braucht Stromzufuhr
Die Recyclinglogistik ist geradezu prädestiniert für die Elektrifizierung, da die Fahrzeuge in Wohngebieten emissionsfrei unterwegs sind. Die Dieselfahrzeuge von REAL verbrauchen durchschnittlich 65 Liter Diesel für 100 Kilometer im Sammelbetrieb. Rechnet man diesen Verbrauchswert anhand des Heizwerts pro Liter Diesel in Höhe von 9,676 Kilowattstunden um, entspricht er 628,94 Kilowattstunden. Der Wert der Elektro-LKW liegt bei nur etwa 220 Kilowattstunden. Aber nicht nur der effizientere Antrieb sorgt für Schutz der Umwelt und der Menschen. Im Stop-and-Go-Betrieb entlasten die E-LKW Wohngebiete auch deutlich von Lärmemissionen durch geräuscharmes Anfahren und Bremsen. Ein Aspekt, der in der Bevölkerung für viel Akzeptanz sorgt.
Anspruchslos ist die Elektrifizierung der Recyclinglogistik dennoch nicht. Die Touren der REAL-LKW sind zwischen 80 und 150 Kilometern lang. Die Batteriekapazität reicht für zwei kurze Tagestouren oder eine lange. Ein durchdachtes Betriebs- und Ladekonzept ist daher für diese und andere LKW- und PKW-Flotten unerlässlich.
Fahrzeuge am Ladepunkt
Der Recyclinghof und das Fahrzeugdepot verfügen zusammen über einen Netzanschluss mit 315 Ampere. Die PV-Anlage auf dem Dach liefert bis zu 450 Kilowatt-peak. Damit könnte man beispielsweise 40 PKW simultan mit bis zu 11 Kilowatt laden. Die Kehrricht-Touren starten in der Regel um 07:00 Uhr und sind so geplant, dass die Fahrzeuge nach einer Tour mit etwas weniger als 50 % des Batterieladezustandes im Depot ankommen. Da die Fahrtrouten oft weiträumig sind, verbringt die Fahrzeugbesatzung die Mittagspause üblicherweise nicht auf dem Gelände von REAL. Hierdurch kann das Laden der Trucks nicht in der Zeit vorgenommen werden, in der die PV-Anlage meist die besten Bedingungen für die Stromproduktion hat.
Das heisst, der Netzbezug von Strom muss ideal gemanagt werden, um auch Spitzenlasten zu vermeiden, für die der Energieversorger hohe Entgelte verlangen muss. Um die Kosten-Nutzen-Effizienz ideal zu gestalten, werden aber auch optimale Ladezeitpunkte durch günstigere Nachttarife berücksichtigt. REAL setzt aber nicht nur für den Entsorgungsbetrieb auf E-Fahrzeuge. Auch Mitarbeitende bewältigen ihren Arbeitsweg teilweise elektrisch. Beim Bürogebäude mit seinem 80 Ampere-Hausanschluss stehen in der aktuellen Ausbaustufe vier 11-Kilowatt-AC-Ladestationen bereit. Durch die langen Standzeiten der Fahrzeuge während der Arbeitszeiten der Mitarbeitenden, ist diese Ladeleistung ausreichend. Da die verbauten Systeme allesamt skalierbar sind, ist später sogar ein Ausbau für jeden weiteren, noch nicht elektrifizierten Parkplatz möglich.
Ein Ladepark mit Redundanz
Für das Laden der PKW hat man sich für AC-Ladestationen des Herstellers Weidmüller entschieden. Im Truck-Depot setzt REAL auf drei DC-Ladestationen mit je zwei Ladepunkten von Kostad. Ausschlaggebend für die Anbieterwahl war auch hier das überzeugende Preis-Leistungs-Verhältnis. Das betriebliche Konzept sieht vor, dass Fahrzeuge in Notfällen mit bis zu 180-Kilowatt DC geladen werden, um zum Beispiel nach einem nächtlichen Ladeabbruch kurzfristig einsatzbereit zu sein. Für externe Einsätze stehen mobile AC-Ladegeräte bereit. Zudem verfügt der Verband auch über ein mobiles 44-Kilowatt-DC-Ladegerät des Truck-Herstellers, um maximale Einsatzfähigkeit zu gewährleisten.
Lademanagement ist offen und flexibel
Die vier AC-Ladestationen und die Ladestationen im Truck-Depot werden von je einem Lade- und Lastmanagementsystem gesteuert. Solche Systeme haben drei Funktionen, die sich kombinieren lassen: die Reduktion der Gesamtladeleistung, die zeitliche Verlagerung des Leistungsbezugs sowie die Priorisierung der Ladevorgänge.
REAL setzt dafür auf den ecoChargingCoach, ein Lademanagementsystem der ecocoach AG aus Brunnen. Dies ist mit Kostad, Weidmüller und weiteren Anbietern kompatibel.
«Meist sind sie auf bestimmte Hersteller, Leistungsklassen oder Schnittstellen ausgerichtet» berichtet von Moos und führt aus: «Entscheidend für Flottenbetriebe unserer Grössenordnung sind Offenheit, Skalierbarkeit sowie Dynamik». Er kennt sich in diesem Themenfeld bestens aus, denn bereits vor seiner Zeit bei REAL war er als Bau- und später als Projektleiter im Umfeld der Erneuerbaren Energien und Elektromobilität tätig. Bei statischen Systemen ist die maximal zulässige Gesamtladeleistung fix vorgegeben. Dynamisches Lademanagement ist dagegen komplexer, aber flexibler. Es berücksichtigt bei der Begrenzung des Bezugs den aktuellen Strombedarf und auch das aktuelle Stromangebot. Letzteres umfasst den verfügbaren Strom von PV-Anlagen und beispielsweise dem eigenen Batteriespeicher, aber auch zeit- und mengengesteuerte Tarife aus dem Netz. Ecocoach beherrscht dieses Metier, da das Unternehmen das Lademanagement-System auch als komplette Energiemanagement-Lösung inklusive Gebäudeautomation anbietet.
Auslegung nicht unterschätzen
Weitere Erfolgsfaktoren bei der Bereitstellung der Infrastruktur sind die Bereiche Auslegung, Planung und Installation. Die Elektrotechnik wurde ursprünglich durch BE Netz AG geplant, die PV-Anlage durch die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) gebaut. Von Beginn an wurden die Gebäude auf die Integration von Speichern und Ladetechnik ausgelegt. Für Architekten und Investoren erscheint es lohnend, das Merkblatt SIA 2060 heranzuziehen und Netzanschlüsse zukunftssicher zu dimensionieren. Nach der Anschaffung der Flotte musste REAL insbesondere Bus-Zähler nachrüsten. Die Planung der Ladeanlage ist seitens Alsona erfolgt. Ausgeführt wurden die Arbeiten durch Elektro Schmidiger. Das ganze Ladeinfrastruktur-Projekt hat nach den obligaten Ausschreibungen rund fünf Monate gedauert. Die Arbeiten vom Verteiler, der Kabeltrasse bis zur Ladestation wurden gemäss Betriebsleiter von Moos einwandfrei ausgeführt.
Ausbau bereits in Planung
Noch vor der Ersatzbeschaffung der letzten Diesel-Trucks nimmt REAL nun die nächste Ausbaustufe in Angriff. Stromspeicher sollen künftig für eine optimale Nutzung des eigenen PV-Stroms sorgen. Der Autarkiegrad beläuft sich schon heute auf rund 50 %; mit dem Einsatz eines künftig geplanten Batteriespeichers soll dieser Wert auf rund 80 % steigen. Gegebenenfalls will der Verband auch Regelleistung für den Netzbetreiber bereitstellen. An erster Stelle steht für den Verband die Versorgungssicherheit. «Die ist mit E-Fahrzeugen ebenso gegeben wie mit Dieselfahrzeugen. Zapfsäulen funktionieren schliesslich auch nicht ohne Strom», gibt von Moos zu bedenken. Letztlich denkt man auch über neue Ladestationen direkt bei der KVA Renergia nach, die selbst Energieproduzentin ist. Der dort produzierte Strom gilt als C02-neutral, weil Abwärme keine Primärenergie enthält. Zudem fahren die Müllfahrzeuge den Standort ohnehin täglich an.
Ganzheitlicher Ansatz entscheidend
Bezogen auf von Moos’ Erkenntnisse aus dem Projekt ist die Planung entscheidend. Es geht um mehr als die maximale Ladestrommenge für PKW und LKW. Die Kunst bestehe darin, Energie- und Gebäudetechnik als Ganzes zu betrachten und die eingesetzten Technologien optimal zu vernetzen. Das erfordert ganzheitliches Denken von den Lieferanten und ein dynamisches Lade- und Lastmanagement.
Gleichzeitig ist es ratsam, alle Anspruchsgruppen – von der Buchhaltung bis zur Disposition und den Fahrern – frühzeitig einzubinden. Hierdurch können viele Herausforderungen direkt von Beginn an mitbedacht werden oder später als Optimierung einfliessen. Als kleines Beispiel kann hier die Freischaltung der Ladestationen mit Chip am Schlüsselbund statt per App genannt werden – Einfaches ist in manchen Fällen im Alltag einfach auch praktikabler. Denn eines scheint klar zu sein: E-Fahrzeuge und Infrastruktur-Themen sind gekommen, um zu bleiben.